Michael Bakunin war ein überzeugter Revolutionär, der überall in Europa für seine Überzeugung kämpfte. Er nahm unter anderem an der «Ersten Internationale» in Basel teil und nutzte die Schweiz als sicheren Ort gegen die Verfolgung, die ihm vielerorts drohte.
Michael Bakunin wurde am 30. Mai 1814 in Prjamuchino (heute Oblast Twer) als älterster Sohn und drittes von elf Kindern in eine adlige Familie hinein geboren. Sein Vater Alexander Michailowitsch lebte lange Zeit im Ausland, würde in Padua promoviert und erlebte die Französische Revolution in Paris. Seite Mutter Warwara Alexandrowna stammte aus der adligen Familie Murawjow. Zum Familiengut gehörten 500 Leibeigene. Bakunin wurde liberal erzogen und gilt als einer der einflussreichsten Denker, Aktivisten und Organisatoren der anarchistischen Bewegung. Weil Freunde und Verwandte der Familie in den Dekabristenaufstand verwickelt waren und darum Repressionen drohten, sah sich Bakunins Vater zu absoluter Loyalität gegenüber Zar Nikolaus I verpflichtet. Das bedeutete für seinen Sohn Michael unter anderem, dass er zum Militärdienst geschickt. Er trat im Alter von 14 Jahren als Kadett in die Artillerieschule St. Petersburg ein und wurde in den folgenden Jahren zum Offizier ausgebildet. 1832 wurde er im Alter von 18 Jahren als Leutnant nach Grodno geschickt. Die Brutalität des Vorgehens der Armee gegen den polnischen Aufstand schockierte den jungen Bakunin und er entwickelte eine Abscheu gegen das Militär. Drei Jahre später meldete er sich krank um die Armee zu verlassen. Nur dank einflussreichen Verwandten entging er einer Festnahme wegen Desertation. Entgegen dem Rat seiner Familie, die für ihn eine Karriere im Staatsdienst vorsah, ging er nach Moskau und schlug sich als Mathematiklehrer durch. Später nahm er an der Moskauer Universität ein Studium der Philosophie auf und kam dadurch in Kontakt mit verschiedenen Persönlichkeiten wie dem Philosophen Nikolai Stankewitsch und dem Literaturkritiker Wassarion Belinski. Er interessierte sich besonders für die deutsche Philosophie und galt als grösster Hegel-Kenner seiner Zeit in Russland. Im Sommer 1840 begab sich Bakunin nach Berlin, um sich auf eine Professur in Moskau vorzubereiten. Anfang 1984 kam er in Dresden in Kontakt mit Ludwig Feuerbach und Jungheglianern, die durch die herrschende Repression radikalisiert wurden. Er begann, sich verstärkt für den Sozialismus zu interessieren. Weil er sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlte, zog er nach Zürich, wo damals zahlreichen politischen Emigranten Asyls gewährt wurde und wo mit dem Literarischen Comptoir Zürich und Winterthur ein wichtiger Verlag für radikale deutsche Literatur entstanden war. In Zürich verkehrte er unter anderem mit Wilhelm Weitling, dessen kommunistischen Gesellschaftsentwurf er stark kritisierte. Weidling wurde festgenommen und bei ihm gefundene Schriften lieferten dem Schweizer Juristen Johann Caspar Bluntschli die Grundlage für dessen antikommunistischen Bluntschli-Bericht, in dem auch Bakunin erwähnt wurde. Der russische Konsul wurde dadurch auf ihn aufmerksam und forderte seine sofortige Rückkehr nach Russland. Bakunin weigerte sich und floh stattdessen nach Brüssel, was zur Folge hatte, dass ihm der Zar seinen Adelstitel aberkannte und er in Abwesenheit zu Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt wurde. Nach Ausbruch der Februarrevolution 1848 nahm Bakunin am revolutionären Kampf teil und wollte die Revolution auch in den russischen Teil Polens tragen. Das gelang nicht und er war vom Verlauf der Revolution - speziell in Deutschland - enttäuscht. Eine weitere Enttäuschung war die Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstandes und ein Aufstand in Dresden zur Durchsetzung einer sächsischen Republik. Als militärischer Anführer des Aufstandes in Dresden wurde er am 10. Mai 1949 auf der Flucht verhaftet und zunächst in der Festung Königstein inhaftiert. Das ursprüngliche Todesurteil wurde in lebenslange Haft umgewandelt. Auf Bitten Österreichs wurde er 1850 ausgeliefert und in der Prager Burg festgesetzt. Am 17. Mai 1851 wurde er nach einer weiteren Verurteilung zu lebenslanger Haft an Russland ausgeliefert und in der St. Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg inhaftiert. Durch die schlechte Ernährung erkrankte er an Skorbut und litt an krankheitsbedingtem Zahnausfall und Fettleibigkeit. Auf wiederholte Gnadengesuche der Familie Bakunin hin wurde im März 1857 Bakunins lebenslange Haftstrafe 1857 in lebenslange Verbannung nach Sibirien umgewandelt. Er wurde über Omsk nach Tomsk gebracht, wo er die Polin Antonia Kwiatkowska kennenlernte und 1858 heiratete. Ein Jahr später wurde er nach Irkutsk, der damaligen Hauptstadt Ost-Sibiriens, deportiert und genoss wegen seiner Verwandtschaft mit dem damaligen Gouverneur von Ost-Sibirien Muratjow-Amurski gewisse Freiheiten. Mitte 1861 nutzte er diese und flüchtete während einer Forschungsreise über das Japanische Meer nach Japan. Nach weiteren revolutionären Aktivitäten in Polen und Italien nahm er 1867 in Genf am Gründungskongress der Internationalen Liga für Frieden und Freiheit teil. Er wurde ins Zentralkomitee gewählt und scheiterte dort mit dem Versuch, die Organisation von ihrem gemässigten Kurs abzubringen. Nach Teilnahmen an der Septemberrevolution in Spanien 1868 und einem Aufstand in Lyon 1870 zog er sich wieder in die Schweiz zurück. Vom 6. bis 11. September 1869 nahm er am IV. Kongress der Internationalen Arbeiter-Assoziation - besser bekannt als Erste Internationale - in Basel teil. Der Kongress tagte im Gesellschaftshaus der drei Ehrengesellschaften, im Café National (heute Café Spitz) auf der Kleinbasler Seite der Mittleren Rheinbrücke. Jeweils mehrere Dutzend Basler folgten den Verhandlungen. Es handelte sich dabei interessanterweise fast ausschliesslich um Bürgerliche, da die Arbeiterschaft nicht vom Arbeitsplatz fernbleiben konnte. Diese beteiligte sich dafür rege an den Abendveranstaltungen, die zu einem guten Teil aus Reden von Delegierten bestanden. Von November 1869 an lebte Bakunin in Locarno und kaufte 1873 die Villa La Baronate, die zum Zufluchtsort für polizeilich gesuchte Revolutionäre werden sollte. 1874 versuchte Bakunin trotz fortschreitender Krankheit ein letztes Mal, an einem Aufstand - diesmal in Bologna - teilzunehmen. Auch dieser blieb erfolglos. es gelang ihm aber immerhin, unentdeckt in die Schweiz zurückzukehren. Als sich sein gesundheitlicher Zustand im Sommer 1876 weiter verschlechterte, war er gezwungen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Resigniert hielt Bakunin zehn Tage vor seinem Tod fest: «Die Völker aller Nationen haben heute den revolutionären Instinkt verloren. Sie sind zu sehr mit ihrer Lage zufrieden, und die Furcht, auch noch das zu verlieren, was sie haben, macht sie harmlos und träge». Michael Bakunin starb am 1. Juli 1876 kurz vor Mittag. Sein Grab befindet sich auf dem Bremgartenfriedhof in Bern. Am 30. Mai 2016 wurde die Plakette am Grabstein durch eine vom Schweizer Künstler Daniel Garbade entworfene neue ersetzt. Darauf abgebildet ist Bakunins Kopf und sein Zitat «Wer nicht das Unmögliche wagt, wird das Mögliche niemals erreichen». Felix Werner |
Michael Bakunin (Foto: Félix Nadar)
Michael Bakunin hält eine Rede am Basler Kongress der Internationalen Arbeiterassoziation im Jahr 1869.
Inschrift auf dem Grab Michael Bakunins auf dem Berner Bremgartenfriedhof. (Foto: zVg)
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