Der Waadtländer Frédéric-César de la Harpe wurde von Zarin Katharina II mit der Erziehung ihres Enkels, des künftigen Zaren Alexander I, betraut. Jahre später erreichte de la Harpe als Gesandter am Wiener Kongress, dass sich Alexander I für die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft einsetzte.
Frédéric-César de la Harpe ist am 6. April 1754 in Rolle im Kanton Waadt in vergleichsweise einfachen Verhältnissen in eine Adelsfamilie hinein geboren. Mit 14 Jahren besuchte er für zwei Jahre das Seminar auf Schloss Haldenstein. Das dort herrschende republikanisch-aufklärerische Klima prägte ihn. Nach einem anschlissenden zweijährigen Studienaufenthalt in Genf nahm er, 18-jährig, das Studium der Jurisprudenz in Tübingen auf. Nach seiner Promotion kehrte er 1774 in die Schweiz zurück. er liess sich in Lausanne nieder und machte als Anwalt Karriere. Zunehmend litt er jedoch unter dem abschätzigen Verhalten der Berner Obrigkeit über die Waadt und ihre Bewohner. 1792 nahm er ein Angebot an, einige Günstlinge der Russischen Zarin Katharina II als Mentor auf einer Reise nach Italien und Malta zu begleiten. Auf Wunsch der Zarin begleitete er die Gruppe weiter über Wien und Warschau zurück nach St. Petersburg, wo er im Frühjahr 1783 eintraf. Zarin Katharina II fasste Vertrauen zu de la Harpe und übertrug ihm die Erziehung ihrer beiden Enkelkinder Alexander, dem späteren Zaren Alexander I, und dessen jüngeren Bruders Konstantin. Zu Beginn beschränkte sich seine Arbeit auf den Französischunterricht. Nach und nach konnte de la Harpe seinen Einfluss ausdehnen und sein Erziehungskonzept weitgehend umsetzen. Er unterrichtete seine beiden Schüler zusätzlich in den Fächern Geschichte und Geographie und legte grossen Wert auf die Vermittlung von Philosophie und Staatskunde. So konnte er das Gedankengut von Jean-Jacques Rousseau («Contrat social») und John Locke («Upon civil government») in der Zarenfamilie verankern. 1790 heiratete er die erst 16-jährige Dorothea Boethlingk, Tocher einer reichen St. Petersburger Kaufmannsfamilie. Während seiner Aufenthalts in Russland hielt de la Harpe Kontakt zu seiner Heimat und verfolgte die Entwicklung Frankreichs nach der Revolution von 1789 mit Interesse. Er hielt die Zarin von Angriffen gegen Frankreich ab und wollte mittels Briefen eine Umwälzung der politischen Verhältnisse in der Waadt und eine Emanzipation von Bern erreichen. Er schlug vor, in der Waadt die damals 13 Stände der alten Eidgenossenschaft zusammenzurufen - in den Augen Berns faktisch ein Aufruf zu einem Staatsstreich. Einer dieser Briefe wurde von der Berner Zensur abgefangen und die Berner Obrigkeit forderte von Katharina II die Auslieferung de la Harpes. Die Zarin ging auf diese Forderung nicht ein, entliess de la Harpe jedoch im Dezember 1794. Ihr Enkel Alexander konnte immerhin bewirken, dass de la Harpe noch bis Mai 1795 in Russland bleiben konnte. Weil eine Rückkehr in die Waadt nicht möglich war, liess sich de la Harpe im Sommer 1795 auf ein Landgut im genferischen Genthod zurück. Mit Alexander blieb er in engem Briefkontakt. 1796 zog er nach Paris, wo der die französische Regierung zur Intervention in der Schweiz bewog, indem er sich auf den von Frankreich garantierten Lausanner Vertrag von 1554 berief, in welchem der Waadt ihre bestehenden Freiheiten garantiert wurden. Von konservativen Kreisen wurde de la Harpe deswegen als «Totengräber der Alten Eidgenossenschaft» bezeichnet. Nach dem von ihm und Peter Ochs entwickelten Plan die Schweiz 1798 von den Franzosen in die Helvetische Republik umgewandelt worden war, wurde er am 29. Juni 1798 zusammen mit Ochs Mitglied der «Direktorium» genannten Regierung. Nachdem Napoléon Bonaparte am 9. November 1799 mit einem Staatsstreich das Pariser Direktorium entmachtete, versuchte de la Harpe, sich in der Helvetischen Republik ebenfalls diktatorische Vollmachten zu verschaffen. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch und zwang ihn, das Land zu verlassen. Nachdem de la Harpe 1801 bis 1802 auf Einladung des seit 1801 herrschenden Zaren Alexanders I eine Reise nach Russland gemacht hatte, lebte er auf einem Landgut bei Paris und empfing dort 1814 nach dem Einrücken der Verbündeten von Zar Alexander I die Würde eines Generals mit dem Andreasorden. Er bewog den Zaren, die Wiederherstellung der von Bern beabsichtigten Untertanenverhältnisse in der Waadt nicht zur gestatten. Am Wiener Kongress, wo vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815 die Machtverhältnisse in Europa nach der Niederlange Napoléon Bonapartes in den Koalitionskriegen neu geordnet wurden, nahm de la Harpe als Gesandter der Waadt und des Tessins teil. Die übrigen eidgenössischen Delegierten traten nicht geeint auf und hinterliessen keinen guten Eindruck. Diskret im Hintergrund agierend und seinen Einfluss auf Zar Alexander I geltend machend setzte sich de la Harpe dagegen erfolgreich für die Freiheit des neuen Kantons Waadt und damit indirekt für die Unabhängigkeit der ganzen Eidgenossenschaft ein. Er erreichte, dass die Schweiz nicht aufgeteilt oder als Monarchie in den Deutschen Bund eingegliedert wurde. 1816 kehrte Frédéric-César de la Harpe nach Lausanne zurück, wo er am 30 . März 1838 starb. Felix Werner |
Frédéric-César de la Harpe
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