Antoine-Henri Jomini wurde am 6. März 1779 in Payerne im Schweizer Kanton Waadt als Sohn von Benjamin Jomini und dessen Ehefrau, geborene Adélaïde Charlotte Rose Roselle aus Paris, in eine angesehene Familie hineingeboren. Schon in seiner Jugendzeit entwickelte er eine grosse Leidenschaft für militärische Taktik und Strategie und hätte gerne eine militärische Karriere eingeschlagen. Seine Eltern entsprachen diesem Wunsch nicht und liessen ihn stattdessen in Aarau und Basel eine Handelsausbildung machen. Nach seiner Ausbildung war er 1796 bei der Bank Mosselmann in Paris tätig.
1798 kehrte er in die Schweiz zurück und wurde Adjutant des Kriegsministers der Helvetischen Republik. Wegen guter Leistungen wurde er zum Hauptmann befördert und arbeite einen Plan zur Reorganisation der helvetischen Miliz aus. Dafür wurde er 1799 zum Bataillonskommandanten befördert. 1801 gab er diese Stelle auf und zog nach Paris zurück, wo er mit Unterstützung des Marschalls Ney unter dem Titel «Traité de grande tactique» eine fünfbändige Abhandlung über Kriegstaktik verfasste. Ney ernannte ihn daraufhin 1804 zu seinem persönlichen Adjutanten. In dieser Funktion lernte er Napoleon Bonaparte kennen, der sich Jominis Fähigkeit, den Verlauf von Armee-Operationen dank seinen profunden militärtaktischen Kenntnissen vorherzusagen, zu Nutzen machte. Diese Fähigkeit führte dazu, dass Jomini oft als «Hellseher Napoleons» bezeichnet wurde. 1807 nahm Jomini an Napoleons Seite an der Schlacht bei Eylau teil. 1807 veröffentlichte er die Abhandlung «Traité de grande tactique», in welcher namentlich die Kriegsoperationen des preussischen Königs Friedrich des Grossen behandelte. Im gleichen Jahr wurde Jomini zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und 1808 zum Baron d' Empire. Nachdem Jomini 1810 vom Russischen Zaren Alexander I. – einem der grössten Konkurrenten von Napoleon um die Vorherrschaft in Europa – ein Dienstangebot erhalten hatte und stellte sich sein direkter Vorgesetzter, Generalmajor Louis-Alexandre Berthier, seinem weiteren Aufstieg entgegen. Napoleon wollte aber auf seine Kenntnisse und Erfahrungen nicht verzichten, ernannte ihn zum Brigadegeneral und beauftragte ihn, die Geschichte der italienischen Feldzüge zu schreiben. Diese Abhandlung erschien ab 1811 unter dem Titel «Histoire critique et militaire des guerres de la Révolution». Während des Russlandfeldzugs (den er für nicht zu gewinnen hielt) wurde Jomini 1812 von Napoleon zunächst zum Gouverneur von Wilna (heute Vilnius) und später zum Gouverneur von Smolensk ernannt. In dieser Funktion organisierte er sehr erfolgreich die gesamte Logistik in der Schlacht an der Beresina - der letzten vor dem Rückzug der französischen Armee im Russlandfeldzug von 1812. Jomini hielt den Russlandfeldzug bereits zu einem frühen Zeitpunkt für nicht zu gewinnen. Dies führte dazu, dass er von Generalmajor Louis-Alexandre Berthier trotz seiner Verdienste und obwohl er im Mai 1813 grossen Anteil am französischen Sieg in der Schlacht bei Bautzen gehabt hatte, definitiv aus der Beförderungsliste gestrichen und unter Arrest gestellt wurde. Daraufhin beschloss Jomini im gleichen Jahr, sich dem Generalstab von Alexander I. anzuschliessen. Als Adjutant des Zaren im Rang eines Generalleutnants war Jomini im Oktober 1813 an der Völkerschlacht bei Leipzig beteiligt, in welcher die verbündeten Heere der Russen, Preussen, Österreicher und Schweden Napoleon die entscheidende Niederlage beibrachten, die ihn dazu zwang, sich mit der verbliebenen Restarmee und ohne Verbündete aus Deutschland zurückzuziehen. 1814 setzte er sich beim österreichischen Aussenminister Fürst von Metternich, einem der damals einflussreichsten europäischen Politiker, für die Wahrung der schweizerischen Neutralität ein. Am Wiener Kongress wurde zwischen vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815 unter Leitung Metternichs über die Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleon Bonapartes in den Koalitionskriegen entschieden. Es wurden zahlreiche Grenzen neu festgelegt und neue Staaten geschaffen. Jomini nahm daran als Berater von Zar Alexander I., der bei den Verhandlungen eine führende Rolle spielte, teil. Er setzte sich, wie auch Frédéric-César de La Harpe, erfolgreich für die Unterstützung des Zaren zur Frage einer unabhängigen und neutralen Schweiz ein, insbesondere in Hinblick auf die Unabhängigkeit des Kantons Waadt von Bern. Jomini beendete seine Abhandlung «Histoire critique et militaire des guerres de la Révolution» und nahm in russischen Diensten als Berater des Zaren 1818 am Aachener Kongress und 1822 am Kongress von Verona teil. Nach dem Tod von Zar Alexander I. am 1. Dezember 1825 wurde er von dessen Nachfolger Nikolaus I. zum Oberbefehlshaber der russischen Armee ernannt. In dieser Funktion nahm er 1828 am Krieg gegen die Türkei teil. 1832 unterstützte er den Zaren bei der Schaffung der Militärakademie in Sankt Petersburg. 1837 wurde er von Zar Nikolaus I. mit der Ausbildung des Zarewitsch, dem späteren Zaren Alexander II., betraut und schrieb zu diesem Zweck 1838 das Handbuch der Kriegskunst «Précis de l'art de la guerre». 1854 beriet er im Krimkrieg ein letztes Mal den Zaren. Später zog er sich nach Passy zurück, wo er 1869 starb und seine letzte Ruhestädte auf dem Pariser Nordfriedhof, dem «Cimetière de Montmartre» fand. Mit seinem Hauptwerk «Précis de l'art de la guerre» gilt Jomini als der eigentliche Begründer der Operationskunst und des operativen militärischen Denkens. Jominis Grundlagen werden bis heute an Militärschulen vermittelt. Felix Werner |
Antoine-Henri Jomini (Porträt von George Dawe, um 1824)
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