Mit einer von rund 120'000 Personen unterzeichneten Petition wurde 1944 vom Bundesrat die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion gefordert. Die Schweizerische Bundesstaatsanwaltschaft und der Bundesrat witterten in dem Anliegen einen Verstoss gegen die Neutralität und gingen dagegen recht unzimperlich vor. Höhepunkt war der Skandal um ein von Hans Erni gestaltetes Plakat für das Anliegen.
Am 18. März 1946 nahmen die Schweiz und die Sowjetunion die 1923 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wieder auf, wobei sich die Frage nicht schlüssig beantworten lässt, inwiefern auf Schweizer Seite die Petition einen Einfluss auf den Entscheid hatte und wie ausschlaggebend politisches Kalkül war, weil der Aufbau universeller internationaler Beziehungen der Legitimierung der Neutralität dient. Nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen verlassen zahlreiche Persönlichkeiten die GSS und ihr Umfeld. Der Kalte Krieg verringert die Perspektiven kultureller und wirtschaftlicher Kontakte mit der Sowjetunion drastisch. Als Folge dieser Abgänge tendiert die Gesellschaft politisch nun deutlich nach links, zur Partei der Arbeit und zur Organisation «Arbeit und Kultur». Dies grenzt sie aus der Schweizer Kulturdiplomatie aus, obschon ihr Präsident, Fritz Lieb, regelmässige Kontakte mit Bundesrat Max Petitpierre unterhält. In den 1950er Jahren organisierte die dannzumal vom Maler Paul Camenisch präsidierte GSS regelmässig Kongresse und Veranstaltungen. Meistens wurden diese Veranstaltungen von einzelnen Ortsgruppen zu einem bestimmten Thema organisiert und endeten häufig mit der Vorführung eines sowjetischen Films. Zudem gab die GSS zwei Zeitschriften auf Französisch und Deutsch heraus. Die Aktivitäten blieben zwar beschränkt, trotzdem verhinderten die Kontakte zur sowjetischen Botschaft einen völligen Abbruch der Beziehungen zwischen der Schweiz und der UdSSR. Mehrere Delegationen von Journalisten, Ärzten, Frauen und Arbeitern profitieren von den Kontakten bei Reisen in die Sowjetunion oder umgekehrt in die Schweiz. Zur Zeit des Kalten Krieges und namentlich während der antikommunistischen Demonstrationen 1956, wo zum Boykott der Kulturbeziehungen mit dem Ostblock aufgerufen wurde, sah sich die Gesellschaft wagen ihrer Aktititäten dem Vorwurf einer «fünften Kolonne» ausgesetzt. Als Folge des intensiveren Ost-West-Austausches im Kontext der friedlichen Koexistenz erhielt die GSS in den Folgejahren wieder mehr Aufmerksamkeit. In Moskau führt die VOKS (die Gesellschaft für den Kulturaustausch zwischen der UdSSR und dem Ausland) Reformen durch, welche die sowjetischen Behörden veranlassen, unter dem Patronat des Staatskomitees für die Kulturbeziehungen mit dem Ausland eine Schwesterorganisation der GSS zu gründen, die Gesellschaft UdSSR-Schweiz. Ab 1961 fand in Moskau, meist im Maxim Gorki-Institut, eine jährliche Zusammenkunft statt, die der Unterzeichnung eines «Kulturabkommens» zwischen beiden Gesellschaften diente. Die offizielle Schweiz lehnt den Abschluss solcher Abkommen mit anderen Ländern ab. Das Politische Departement fühlt sich durch die Tätigkeiten der inoffiziellen und politisch aufrührerischen Gesellschaft übergangen. 1961 organisiert die GSS beispielsweise nach dem Muster der offiziellen Kulturveranstaltungen eine Bücherausstellung in Moskau. Eine Verbesserung der offiziellen Kulturbeziehungen trat erst 1968 erst mit einer von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia organisierten Architekturausstellung ein. Quellen: www.sozialarchiv.ch www.spiegelderwelt.ch / Matthieu Gillabert |
Bezeichnung
1944 - 1950 Gesellschaft zur Förderung und Pflege normaler Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion 1950 - 1993 Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion Präsidium 1946 - 1950 W.A. Liebeskind (Genf) 1950 - 1952 Fritz Lieb (Basel 1952 - ? Paul Camenisch (Chur) ? - 1968 Marc Oltamare (Genf) 1988 - 2010 Samuel Eichenberger (Reinach) Die Delegation der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion bei Ihrer Ankunft auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo; Paul Camenisch 2.v.r. (ausserdem, ohne Positionsangabe: Luciano Maggetti (Automechaniker, Biasca) und Colette Von der Mühll (Hausfrau, Lausanne), Martha Camenisch (Zahnärztin, Basel), Walter Kobi (Chemiearbeiter, Basel), Oskar Jäggin (Schreiner, Zürich), Fritz Rüegg (Lehrer, Zürich), Oscar Savary (Landwirt, Ropraz), Armand Bron (Sekretär der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion, Genf) im August 1953.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) Die Reisegruppe im Kreml.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) Besuch der Schokoladefabrik Mikojan in Leningrad - Konrad Farner (Mitte, mit Schnauz), dahinter Walter Günthard.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) In der Stalin-Autofabrik in Moskau: im zahnärztlichen Kabinett der firmeneigenen Poliklinik behandeln Zahnärztinnen Patientinnen.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) Besuch historischer Monumente in Samarkand.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) Die Reisegruppe vor einer Moschee in Taschkent.
(Foto: Schweizerisches Sozialarchiv) |
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